Donnerstag, 28. Dezember 2006

Was behindert denn die Liebe?

von Dr. Aiha Zemp
Sexualität, Liebe und Freundschaft von Menschen mit Behinderung waren bis Ende der sechziger Jahre ein absolutes Tabu. Behinderte Frauen und Männer, die sich das Ausleben der Sexualität auch schon vor dieser Zeit nicht einfach verbieten ließen, waren als triebhaft verschrien und wurden oft kurzerhand zwangssterilisiert. Mit den Möglichkeiten verschiedener Verhütungsmittel und unter dem Druck von Betroffenen wurde das Thema der Sexualität bei Menschen mit Behinderung allmählich enttabuisiert. Dennoch gibt es im aufgeklärten Europa nach wie vor Heime - vor allem für Menschen mit geistiger Behinderung - , in denen Paare nicht zusammen sein dürfen; nach wie vor verbieten Eltern ihren erwachsenen behinderten Töchtern und Söhnen das Ausleben von Sexualität - eine unverschämte Machtdemonstration. Das hat zur Folge, dass Betroffene Sexualität oft nur auf eine höchst unwürdige Art ausleben können.


Was ist es denn, das Liebe und Sexualität von Menschen mit Behinderung behindert oder vielmehr verhindert? Sind es tatsächlich die gelähmten Körperpartien, die fehlenden Gliedmaßen, die ruhelosen Spasmen, die tiefere Intelligenz? Sind es nicht vielmehr die mangelnde Sexualaufklärung, das Ausgeliefertsein an nicht behinderte Menschen, die ihre (verklemmte) Sexualmoral den von ihnen Abhängigen aufdrängen, oder die nicht respektierte Intimsphäre bis hin zu Medikamenten gegen Epilepsie oder Psychopharmaka, die einen Libidoverlust zur Folge haben? All das können mögliche Faktoren sein, die die Sexualität von Menschen mit Behinderung behindern oder verhindern.

Sexualität von Menschen mit Behinderung scheitert nämlich weitaus öfter an mangelnden Liebesbeziehungen als an Potenzproblemen, und diese sind auch durch keinen Plastikpenis oder andere Prothesen zu ersetzen.
Alle Menschen mit einer Behinderung haben die Aufgabe, mit den Einschränkungen so lange zu ringen, bis die eigenen Begrenzungen angenommen werden können als etwas einem Zugehöriges wie grüne Augen oder krauses Haar. Und da eben ist der eine kleine Unterschied: nicht sichtbar behinderte Menschen können sich meist länger oder bequemer um ihre Begrenzungen herummogeln. Je mehr sie das tun, desto weniger sind sie fähig, einen Menschen mit einer vielleicht sichtbaren Behinderung zu lieben; bewusst oder unbewusst sind sie froh, wenn Behinderte weiterhin unter ihresgleichen abgeschoben bleiben.


Wenn Menschen mit Behinderung zum selbstverständlichen Bild einer Gesellschaft gehören, werden sie auch irgendwann als mögliche LiebespartnerInnen wahrgenommen. Damit eine solche Liebe tagtäglich aber auch gelebt werden kann, braucht es das System der persönlichen Assistenz, weil ohne diese eine Partnerschaft zu einem unheilvollen gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis verkommt.

Samstag, 2. Dezember 2006

Liebesspiel mit Tücken

Sich den Wunsch nach Zärtlichkeit und Nähe zu erfüllen, erweist sich in vielen Fällen für allein stehende Körperbehinderte als schwierig. Ein Weg, der natürlichen Sehnsucht nachzukommen, kann der Besuch in einschlägige Salons sein, meist werden hier aber die Bedürfnisse nicht erfüllt.

Die Erfahrungen eines 35jährigen Mannes mit cerebralen Bewegungsstörungen (diese sind gekennzeichnet durch Veränderungen in der Muskelspannung und bei der Bewegungskoordination. Alle Bewegungsabläufe können erschwert sein: Fortbewegung ebenso wie Bewegungen der Arme und Hände und Sprechen.)

Er fährt keinen Rollstuhl, aber seine Feinmotorik und seine Sprechkünste entsprechen nicht dem gängigen Muster von Otto Normalverbraucher. Beruflich ist er im administrativen Bereich tätig, und lebt allein in einer 1 ½ Zimmer-Wohnung.

Bis zu seinem 22. Lebensjahr hatte er noch nie sexuellen Kontakt erlebt. Er beschaffte sich Befriedigung mit onanieren, was natürlich nicht so spannend war als Sex mit einer Frau. Nach anfänglichem Zögern, entschloss er sich, eine Prostituierte aufzusuchen.
Während eines Ferienaufenthaltes in Kenia, ging er nach einem nächtlichen Discobesuch mit seiner „ersten Geliebten“ nachhause. Wegen sprachlicher Barrieren gab es kleinere Kommunikationsschwierigkeiten, dennoch war es ein sehr eindrucksvolles Erlebnis.

Danach besuchte er in seiner Umgebung Bordells.
Zusammenfassend einige Erlebnisse: Durch seine Sprachbehinderung entstanden schon mal Missverständnisse, und so wurde er von einer Prostituierten mit freundlichem Rat konfrontiert, er solle seinen Alkoholkonsum etwas dosieren.
Hier ist einerseits Riesenfrust aufgekommen andererseits kam große Trauer hoch.
Es tauchen auch schon mal Fragen auf wie, bin ich als Mann mit meiner Behinderung derart unattraktiv, dass nicht einmal eine „Hure“ ihr Geld an mir verdienen will?

Viele Prostituierte haben oder nehmen sich nicht die Zeit auf Menschen mit Handicap einzugehen. Da kann es schon mal passieren, dass der Zeitaufwand beim Ausziehen der Kleidung höher ist. Letztendlich ging der 35 jährige Mann ohne sexuellen Höhepunkt und mit etwas weniger Geld im Portemonaie wieder nachhause.

Es ist also alles andere als leicht, dass Menschen mit Handicap ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen können.

Freitag, 1. Dezember 2006

fm4 Jugendzimmer

Zum Thema unseres bolgs gab es auf fm4 im Jugendzimmer am 1.12.2006 einen sehr interessanten Beitrag. Für weitere Informationen könnt ihr folgende Seite besuchen: http://lizart-funnyfacts.blogspot.com/

Sonntag, 19. November 2006

Interview mit einer Prostituierten

http://www.onlinereports.ch/2001/BehinderteProstitution.htm
hallo, also ich find das interview mit der prostituierten sehr toll! was mich beeindruckt: dass leute glauben, für geld können sie sich alles kaufen, und die sensibilität, die sie im umgang mit menschen mit handicaps wahr nimmt. ich denke auch, dass in der sexualität so viele unterschiedliche menschen mit unterschiedlichen bedürfnissen und vorlieben aufeinander treffen, dass menschen mit handicaps einfach nur eine "untergruppe" bilden - untereinander aber auch wieder ganz unterschiedlich sind und einige die dominante einordnung in die schublade "behindert" schon komplett satt haben. mich ärgert es beispielsweise immer wieder (und ich glaub, da bin ich nicht die einzige) auf dem titelblatt von illustrierte zu lesen "was frauen im bett wollen", "was männer anmacht" oder so ein schmarrn, weil wir ja wirklich komplett unterschiedlich sind. so eben auch behinderte. das war mein wort am sonntag dazu.(b)log on!michaela

Freitag, 17. November 2006

Wie alles begann:

Ich (Bernhard, 26) habe letztes Jahr ein FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr www.fsj.at) in einer Sonderschule mit Internat in Tirol gemacht. Dort gehen auch Jugendliche (bis 18 Jahre) zur Schule. Mein Interesse für das Thema Behinderung und Sexualität begann mit der Frage: Wie reagiere ich darauf, wenn sich die Jugendlichen selbst befriedigen? – Dürfen die das? Die Frage entwickelte sich weiter und ich diskutierte dann mit einigen Lehrern und Erziehern die Frage: Was ist mit Behinderung und Sex?
Als wir für unsere Lehrveranstaltung „Projektmanagement“ ein geeignetes Thema suchten fiel mir diese Frage wieder ein und wir entwickelten ein konkretes Projekt daraus.

Warum?

Ich möchte diesen blog einigen Menschen mit Behinderung widmen: Yvonn, Thomas, Peter, Christian, Michael. Sie können nicht sprechen und manche können sich auch kaum bewegen und sie werden wohl niemals Sex haben und sind doch (oder gerade deshalb?!?) glücklich, und froh am Leben zu sein.
Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch seine Sexualität so ausleben dürfen sollte, wie er oder sie will. Natürlich mit der Einschränkung, dass man ja sowieso „nie“ wirklich weis was man will. Es ist OK, wenn jemand 3 PartnerInnen pro Woche hat, und es ist auch OK, wenn jemand mit dem Sex bis zur Ehe warten möchte. Weil: Jeder sollte selbst entscheiden können. Uns „gesunden“ Menschen gelingt das mehr oder weniger gut. (Wer kommt in diesem komplizierten, unübersichtlichen Wirrwarr aus Liebe, Leidenschaft, Bedürfnis, Gefühlen, … schon WIRKLICH gut zurecht ?!?) Das führt mich zu unserem Thema: Sex und Handicap.
Es ist so, dass Menschen mit Behinderung oft das Bedürfnis oder zumindest die Fähigkeit abgesprochen wird „körperlichen Kontakt“ oder gar Sex haben zu wollen oder zu können. Im Rahmen unseres Projektes sind wir drauf gekommen, dass jeder Mensch grundsätzlich das Recht auf „Körperlichkeit“ hat. Menschen mit „leichteren“ körperlichen Behinderungen wird dieses Recht noch eher zugesprochen. Für alle anderen gilt: Dieses Thema ist Tabu. Ausreden sind an der Tagesordnung: „Die können ja nicht“, „Was ist wenn was passiert“, „Da muss ich ihnen zum Schluss ja dabei helfen“, oder ganz einfach „Bist du verrückt“.
Unsere Mission ist es dieses Tabu zu durchleuchten und wenn möglich aufzubrechen.