Sonntag, 7. Januar 2007

Ein Bericht einer jungen Frau, die in einer Lebenshilfe Werkstätte arbeitet

Ich arbeite in einer Lebenshilfe Werkstätte für erwachsene Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Mein Auftrag ist es, diese Menschen in ihren alltäglichen Lebenssituationen zu begleiten und dabei auf größtmögliche Selbständigkeit zu achten.
Prinzipiell bin auch ich der Meinung, dass jeder Mensch das Recht hat seine persönliche Sexualität auszuleben.
In dem Bereich in dem ich arbeite, kann nur selten jemand seine Wünsche diesbezüglich äußern:

 Weil dieses Thema grundsätzlich vom sozialen Umfeld (Eltern, Familie, Betreuer...) totgeschwiegen wurde/wird bzw. die Meinung gängig war/ist, dass Menschen mit Handicap keine Sexualität haben bzw. haben dürfen
 Weil Menschen mit Handicap ihre sexuellen Bedürfnisse nicht kennen / nicht zuordnen können / nicht benennen können und daher auch nicht in der Lage sind, diese Wünsche zu äußern
 Weil Defizite in der körperlichen Wahrnehmung/Ausdrucksmöglichkeiten vorhanden sind
 Weil die Frage auftaucht, Wie „beziehungsfähig“ Menschen mit Handicap sind?
 Weil Sexualität meist nur mit körperlicher Liebe verbunden wird (dabei gehört soviel mehr dazu ) uvm.

Wir als Betreuer sehen es als Aufgabe Menschen mit Handicap auch in diesem Bereich zu begleiten. Es gibt professionelle Unterstützung, die angefordert werden kann, (zBsp. Special love talks = Workshops für Menschen mit Handicap in denen es darum geht seinen eigenen Körper kennen zu lernen/Welche Berührungen mag ich, welche nicht?/ Geschlechtsunterschiede aufzulisten/ Gefühle zu benennen: Liebe, Eifersucht, Ängste....).
Dennoch würde ich mir noch mehr professionelle Unterstützung auch für uns Betreuer wünschen (Fortbildungen zu dem Thema...).

Grundsätzlich gilt für mich, dass Sexualität – in welcher Form auch immer - ein wichtiger Teil unseres Lebens ist, der gerade in meinem Beruf ein hohes Maß an Sensibilität erfordert und jeder Menschen mit Handicap individuell betrachtet werden soll.
Unsere Einrichtung strebt einen gesunden, natürlichen Umgang mit dem Thema Sexualität an und von Kollegen weiß ich, dass es in manchen Einrichtungen ganz „ normal“ ist, dass zwei Menschen mit Handicap eine Beziehung miteinander haben und diese auf ihre individuelle Art ausleben können.
Tabus aufzubrechen bedeutet eine Bewusstseinsänderung, die vor allem Zeit, Geduld und Verständnis benötigen wird; dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

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